Tiroler Reiftanz
Ausgangsstellung
8 Paar-Tanz.
Jeder Teilnehmende hält mit beiden Händen, bei angebeugten Unterarmen, einen "Reifen" ( eigentlich ein Halbreifen, Durchmesser etwa 75cm ) über den Kopf. Der Reifen ist je nach der Jahreszeit dem Zweck des Tanzes mit grünem Laub, Blumen, Ähren oder Reisig geschmückt.
Im folgenden Text werden die Tänzer mit B, die Tänzerinnen mit M und der Paarnummer bezeichnet.
Die Teilnehmer stellen sich außerhalb des Tanzraumes in 2 Kolonnen auf:
M8 - B8 - M7 - B7 - M6 - B6 - M5 - B5 B1 - M1 - B2 - M2 - B3 - M3 - B4 - M4
Einmarsch (Weise 1)
Die Teilnehmer marschieren, je Takt 2 Gehschritte, auf die Tanzfläche und bilden dort mit etwa 4 m Abstand zwei Reihen, die auf die Ehrengäste zugehen. Am Platz angekommen, wenden sich die beiden Reihen mit einer Vierteldrehung zueinander.
Begrüßung, "Zusammenschlagen" (Weise 2)
Takt 1-3: Mit 6 Schritten gehen die beiden Reihen aufeinander zu.
Takt 4: Die Gegenüberstehenden schlagen die Reifen dreimal leicht gegeneinander.
Takt 5-7: Mit 6 Schritten rückwärts gehen die Reihen auf die Ausgangsplätze zurück.
Takt 8: Die Tänzer stampfen dreimal leicht auf
Sollen die Gäste begrüßt werden, unterbricht jetzt die Musik, ein Sprecher (kein Tänzer) geht zwischen den Reihen auf die Ehrengäste zu, bleibt in Höhe von B1 - M8 stehen und spricht die Begrüßungsworte. Nachher verlässt er auf gleichem Wege wieder den Tanzplatz.
Nun setzt die Musik mit der Weise 3 ein. Wie oft die Tanzmelodien zu wiederholen sind, lässt sich nicht genau festlegen. Jedenfalls beginnt eine neue Figur immer mit Takt 1 einer der Teilmelodien.
1. Figur, "Großer Kreis"
Die Reihen wenden sich mit einer Vierteldrehung nach links. Jeder lässt den Reifen mit seiner Linken los, dreht ihn nach hinten und fasst dann mit seiner Linken den Reifen des Vorantanzenden.
B1 führt, je Takt 4 Laufschritte, seine Reihe im Kreis gegen Tanzrichtung / iU außen an der anderen Reihe vorbei zum großen Kreis (Flankenkreis). Wenn M4 bei B5 vorbeigekommen ist, fasst dieser mit seiner Linken ihren Reifen und schließt mit seiner Reihe an. Schließlich ergreift B1 mit seiner Linken den Reifen von M8 und schließt dadurch den Kreis. Der Kreis läuft wenigstens einmal herum.
2. Figur, "Durchziehen"
M8 bleibt vor den Ehrengästen stehen. Unter ihren Reifen dreht sich B1 links / gU (= von innen nach außen) durch und zieht die anderen zum Kreis in Tanzrichtung / gU nach. Der vollendete Kreis, mit dem Gesicht nach außen, läuft wenigstens einmal herum.
3. Figur, "Überspringen"
M8 bleibt vor den Ehrengästen stehen, senkt ihren Reifen, über den B1 mit einer halben Drehung rechts / iU (= von innen nach außen) springt und die anderen zum Kreis gegen Tanzrichtung / iU nachzieht. Der vollendete Kreis, Gesicht zur Mitte, läuft wenigstens einmal herum.
4. Figur, "Zusammengehen"
Mit 8 Schritten wird aus dem Kreis eine Doppellinie gebildet, indem B1 und B5 aufeinander zu, B3 und B7 aber rückwärts auseinander laufen. Mit 8 Schritten wird der Kreis wiederhergestellt und mit weiteren 8 Schritten eine neue Doppellinie gebildet, indem nun B3 und B7 aufeinander zu, B1 und B5 aber rückwärts auseinander laufen. Schließlich wird mit 8 Schritten der Kreis wiederhergestellt.
Die Figur kann wiederholt werden.
5. Figur, "Achtertanz"
Die Kreisfassung wird gelöst und der eigene Reifen mit beiden Händen über den Kopf gehalten. Je 2 Paare bilden eine Gruppe, die miteinander die Figur ausführen. Die Partner wenden sich zueinander. Für den Weg von einem Punkt zum anderen sind 4 Schritte erforderlich.
1. Teilbewegung: Die Partner weichen links ( = rechtsschultrig ) aus und tanzen auf den Platz des Partners.
2. Teilbewegung: Die beiden mittleren weichen rechts ( = linksschultrig ) aus, während die außen Befindlichen eine halbe Drehung links / gU an Ort ausführen.
Diese beiden Teilbewegungen werden abwechselnd viermal ausgeführt, wodurch die Ausgangsstellung wiederhergestellt wird. Die Figur kann wiederholt werden.
6. Figur, "Kleine Kreise"
Je 2 Paare, wie in der 5. Figur, bilden einen kleinen Flankenkreis, rechte Schulter gegen die Kreismitte; die Tanzende reichen das linke Reifenende dem Gegenüber, so dass ein Reifenkreuz entsteht. Die so entstandenen 4 kleinen Kreise laufen wenigstens 8 Takte gegen Tanzrichtung / iU. Dann lösen sich die kleinen Kreise auf und ein einziger großer Kreis wird wieder gebildet, wobei jeder mit seiner Linken den Reifen des Vorantanzenden fasst.
7. Figur, "Kranz"
Der große Kreis läuft wenigstens einmal gegen Tanzrichtung / iU herum. B1 bleibt vor den Ehrengästen stehen und lässt den Reifen von M8 los. Die anderen laufen im Kreis weiter hinter B1 vorbei, Ml stellt sich links neben B1, B2 links neben M1 auf, usw. Ist die Figur gebildet ( M8 steht nun rechts neben B1 ), fasst B1 wieder den Reifen von M8. Der "Kranz" bewegt sich jetzt 8 Takte mit kleinen Nachstellschritten seitwärts nach links gegen Tanzrichtung / iU.
Dann bleibt der "Kranz" stehen, B1 lässt den Reifen von M8 los, dreht sich drei Vierteldrehungen nach rechts / iU und zieh die anderen hinter den Stehenden vorbei gegen Tanzrichtung / iU nach und stellt damit den großen Kreis wieder her.
8 Figur, "Rose"
Der große Kreis läuft wenigstens einmal gegen Tanzrichtung / iU herum. B1 bleibt vor den Ehrengästen stehen und lässt den Reifen von M8 los. Die anderen laufen hinter ihm vorbei im Kreis gegen Tanzrichtung weiter. Dann bleiben M1 und später B2 so stehen, dass ein gleichseitiges Dreieck entsteht. Die anderen laufen indessen weiter, doch bleiben dann M2 links neben B1, B3 links neben Ml, M3 links neben B2, B4 links neben M2, usw. stehen.
M8, links neben B7 stehend, legt schließlich ihren Reifen über die anderen Reifen.
Ist die "Rose" gebildet, bewegen sich alle wenigstens 8 Takte mit kleinen Nachstellschritten seitwärts nach links / iU, wobei die Reifen in die Höhe gehoben werden.
Dann bleibt die "Rose" stehen, B1 dreht- sich drei Vierteldrehungen nach rechts / iU und zieht die anderen hinter den Stehenden vorbei gegen Tanzrichtung / iU nach und stellt den großen Kreis wieder her.
9. Figur, "Laube"
Der große Kreis läuft wenigstens einmal gegen Tanzrichtung / iU herum. B1 bleibt so stehen, dass er auf der Tanzbahn entgegengesetzt zu den Ehrengästen ist, rechte Schulter den Ehrengästen zugewendet. Ml läuft, die anderen nachziehend, hinter B1 vorbei und stellt sich gegenüber von B1 auf, ihre linke Schulter zu den Ehrengästen gewendet. Die anderen, immer außen ( hinter den schon Stehenden ) herumlaufend, stellen sich allmählich auf: B2 stellt sich, nach einer Drehung rechts / iU unter dem Reifen, rechts neben B1, M2, ohne besondere Drehung, links neben M1, B3 nach einer Drehung rechts / iU rechts neben B2, M3 ohne besondere Drehung links neben M2, usw. Die "Laube" wird also auf die Ehrengäste zu aufgebaut.
Ist die "Laube" fertig gestellt, kann die Musik unterbrechen. Der Sprecher tritt durch die Laube vor die Ehrengäste und sagt einen Sinnspruch oder die Verabschiedung. Dann zieht er sich durch die Laube wieder zurück.
Zur Auflösung läuft B1 durch- die Laube und zieht die, anderen nach rechts gegen Tanzrichtung / iU zum großen Kreis nach. Die "Laube" kann, ohne Spruch, noch einmal getanzt werden.
Zum Abschluss läuft der Kreis wenigstens einmal gegen Tanzrichtung / iU herum, teilt sich dann in zwei Reihen ( Paare 1-4 und 5-8 ), die sich wie nach dem Einmarsch aufstellen und mit einer Vierteldrehung rechts / iU einander zuwenden. Der fremde Reifen wird losgelassen und der eigene Reifen mit beiden Händen gefasst.
Abschied, "Zusammenschlagen" (Weise 2)
Wie Begrüßung am Beginn des Tanzes.
Abmarsch (Weise 1)
Die Reihen wenden sich mit einer Vierteldrehung zu den Ehrengästen und ziehen mit Gehschritten, je Takt 2 Schritte, durch die Mitte schwenkend, vom Tanzplatz.
Zum Tanz
Der Tanz wurde von Karl Horak nach alten Vorbildern neu gestaltet.
Auf einem Ölgemälde im Besitz der Bozner Kaufmannsfamilie Christanell ist die Aufführung des "Bindertanzes" vom 6. Mai 1790 anlässlich des Besuchs der Kaiserin Maria Luise, Gemahlin Josefs II., festgehalten. Nach diesem Augenblicksbild und den mehr als spärlichen Schilderungen der Aufführungen des Bozner Bindertanzes in Solbad Hall im Jahre 1853 lässt sich der Ablauf des Tanzes nur groben Umrissen erkennen.
Nach einem einleitenden Spiel mit Bacchus, Brudermeister und Schwestermeisterin, Schwingen eines gefüllten Weinglases in einem Reifen, Arlequin und Colombine führten die Bindergesellen mit "mannigfachen Verschlingungen, in zierlichen Gruppierungen, bald aufgelösten Schlangenwindungen, bald einen Knäuel bildend" ihren Tanz auf. Die Figuren hatten sicher symbolische Bedeutung, doch war der Sinn schon vor 200 Jahren vergessen.
Urkundlich ist der Reiftanz als Tanz der Bozner Binder aus den Jahren 1769, 1790 und 1822 in Bozen, der Haller Binder aus den Jänner 1772 im Stift Wilten bei Innsbruck und 1853 in Solbad Hall und von nicht näher bezeichneten Tänzern aus dem Jahre 1788 in Innsbruck belegt. Er dürfte aber weit älter sein, denn in einem Ratsbuch der Stadt Bozen aus dem Jahre 1474 ist vermerkt, dass sich der Bürgermeister zum Tanz der Binder begibt.
In der Überlieferung war der Reiftanz stets ein ständischer Brauch, zum Lob des Berufs und zur Ehrung hochgestellter Personen. Die Rückführung des Bindertanzes auf ein Gelöbnis, die durch die Pest dezimierte und verzweifelte Bevölkerung aufzuheitern, ist eine allerdings weit verbreitete ätiologische (das Motiv erklärende) Sage.
Bei der Wiederherstellung wurde auf den spielhaften Teil und das Schwingen eines Glases in einem Reifen verzichtet und der Bewegungsablauf durch Vergleich mit anderen Reiftänzen, besonders mit dem Münchner Schäfflertanz, gestaltet. Die Melodien sind einem handschriftlichen Notenheft aus Erl, um 1840, entnommen.
Die Übertragung auf den Erntebrauch und die Aufnahme von Mädchen in den Kreis der Ausführenden ist jüngsten Datums.
Der Tiroler Reiftanz war auch Bestandteil der Eröffnungsfeier der 12.Olympischen Winterspiele im Innsbruck am 4.Februar 1976. Die Musik wurde im Gegensatz zu Volkstanzaufführungen auffällig schnell und gerade militärisch (als sogenannter Geschwindmarsch) gespielt, die Tänzer bewegten sich dazu im Laufschritt (s.u.)! Eine vollständige Filmaufnahme dieses Programmpunktes wie auch des Fackeltanzes bei der Schlußfeier im Eisstadion wäre dringend erwünscht.
Quelle
- Karl Horak, Tiroler Volkstanzbuch, Musikverlag Helbling, Innsbruck, 1974.
- Arbeitsgemeinschaft Volkstanz Tirol