Das letzte Glöckerl

Es hat der Mensch da drin so unbewußt 
A ganz klanes Glöckerl in der Brust,
Das klingt da drin, und wann man's a net siecht,
So fühlt's a jeder, daß zum Herzen spricht:
Der Mensch, er soll im Leben net verzag'n, 
Er soll sein Schicksal mit Geduld ertrag'n,
So red't das klane Glöckerl spät und fruah 
An jeden Menschen freundlich zua.
Und der das net versteht, acht' auf das Glöckerl net.
Bei dem is's a da drin statt heiter trüab,
A so a Mensch kennt a kan Nächstenliab,
Bei dem da drinnen is das Schlagwerk krank,
Das klane Glöckerl hat kan reinen Klang,
Und fühlt im Alter er sein letztes End,
Hat er kan Trost, er hat kan Freund net kennt,
A so a Mensch war wirklich auf der Erd'
Das letzte Glöckerl gar net wert.

Solang da Mensch im größten Wohlstand lebt,
Er immer mehr nach Glanz und Reichtum strebt;
Denn was er in die Hand nimmt, is a Gold,
Weil ihm per Zufall grad' das Glück is hold.
Wann so a Mensch in seiner Hochmutsmacht
Den andern armen Teufel still veracht',
Vergißt er dann, wann er so schwelgt und praßt,
Daß plötzlich ihn das Glück verlaßt,
Da läut' das Glöckerl dann,
Und 's klingt wie Spott und Hohn:
"Das Glück, o Mensch, das wechselt über Nacht",
spricht's Glöckerl und verlöscht wie Goldespracht,
Und nix bleibt Dir zurück von deiner Hab'
Als wie allein nur mehr der Bettelstab,
Mit dem du hungernd wankst von Haus zu Haus,
bis er dich fürht hinein ins Pfründnder-Haus.
Ein Hoffnungsstrahl läßt dir zurück die Zeit,
Bis 's letzte Glöckerl für dich läut'!

Text
Musik

Ferdinand Posch
Ferdinand Fink

Quelle: Karl Hodina, O Du lieber Augustin, Pichler 1998


06. May 2003

Gstanzln.com
admin@gstanzln.com