Zwei Seiten derselben
Medaille: Die einen würden am liebsten ganze Epochen mit einem
Schlußstrich vergessen machen, andere können sich nicht einmal zum
zwingendsten Stricherl durchringen. Am Eingang zum Salzburger
Landesinstitut für Volkskunde prangt entgegen einem Regierungsbeschluß
seit kurzem wieder der Name des Vollblut-Nazis Richard Wolfram, nach dem
sich das Institut 1985 benannte.
Taufanlaß war eine Schenkung des Volkskunde-Professors Wolfram gewesen,
der dem 1983 gegründetem Institut einen Teil seines Forschungsmaterials
vermachte und den Rest für später versprach. Dafür bedankte sich das
Land, das Wolfram nur als harmlosen Wissenschafter gekannt haben will, mit
der zusätzlichen Institutsbezeichnung "Richard Wolfram
Forschungsstelle", die fortan auf den Institutsschildern und
Drucksorten aufschien.
Regierungsbeschluß
1992/93, bei einem Kongreß über "Volkskunde und Brauchtumspflege im
Nationalsozialismus in Salzburg", wurde die Zusatzbezeichnung
peinlich, doch Landesjuristen bezeichneten sie als vertraglich festgelegte
Gegengabe für die Schenkung. 1994 schließlich kam es dennoch zu einem
Regierungsbeschluß über eine Statutenänderung, bei der die
Zusatzbezeichnung gestrichen wurde. Wolfram starb ein Jahr später.
Daß das Institutsschild, nachdem die inkriminierte Zeile lange mit einem
Klebeband verdeckt war, heute wieder in alter Vollständigkeit am Eingang
prangt, kann wohl nur mit einer inneren Sperre gegen den längst
überfälligen Schlußstrich erklärt werden. An den Kosten für ein neues
Schild kann es jedenfalls nicht liegen, hat doch der Münchner Historiker
Albert Ottenbacher, der sich seit Jahren mit Wolfram beschäftigt, dem
Institut - erfolglos - 1000 Schilling für eine neue Tafel angeboten.
Wer also war Richard Wolfram ? Ottenbacher hat seinen Lebenslauf akribisch
recherchiert: 1901 in Wien geboren, trat Wolfram bereits 1932 der NSDAP
bei. Bald darauf habilitierte er sich über "Schwerttanz und
Männerbund". 1938, gleich nach dem Anschluß, übernahm er die
Leitung der in Salzburg neu geschaffenen "Lehr- und Forschungsstätte
für germanisch-deutsche Volkskunde". Sie war Teil der Forschungs-
und Lehrgemeinschaft "Das Ahnenerbe", die u.a. "den
Nachweis der geistigen Weltherrschaft des arischen Germanentums"
erbringen sollte. Ihre Mitarbeiter unterstanden direkt dem "Reichsführer-SS"
Himmler.
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SS-Karriere
Wolfram machte weiter Karriere. 1939 wurde er zum a.o. Professor am
Lehrstuhl für germanisch -deutsche Volkskunde an der Uni Wien ernannt.
Dort hatte er als Untersturmführer die Aufgabe, "den Geist der
Schutzstaffeln in die deutschen Universitäten hineinzutragen".
Schließlich rückte er zur Waffen-SS ein. 1941 war er im Sondereinsatz in
Südtirol und sicherte "das Kulturgut aller
umsiedelnden Volksdeutschen", wobei, so Ottenbacher zum Standard,
"der Übergang zwischen wissenschaftlicher Sicherstellung und Raub
fließend war". Wolfram erklärte sich auch bereit, dem
Sicherheitsdienst SS ein Gutachten über wissenschaftliche Gegner
zuzuleiten. Seit 1943 gehörte er der Stabsabteilung der Waffen-SS beim
Persönlichen Stab Himmlers an. Er arbeitete im "Germanischen
Wissenschaftseinsatz" in Oslo.
Von der Uni ins KZ
Auch hier gehörte es zu seinen Aufgaben, Informationen über die
feindlich eingestellten Wissenschafter einzuholen. Im Herbst '43 wurden
dann sämtliche Professoren, Lehrkräfte und Studenten der Universität
Oslo wegen angeblicher Aktivitäten gegen die deutschen Behörden
verhaftet. Ein Teil der Männer kam in das KZ Buchenwald, die
"rassisch Wertvollen" in ein Umerziehungslager, wo Wolfram
Vorträge hielt.
Nach dem Krieg wurde der Professor an der Uni Wien suspendiert. Doch 1954
bekam er dort die Venia Legendi wieder. 1961 wurde er Vorstand des
Insituts für Volkskunde, 1963 o.Prof. bis zu seiner Emeritierung 1971/72.
Zur Krönung erhielt er 1977 auch noch das Österreichische Ehrenkreuz
erster Klasse für Wissenschaft und Kunst.
Bei so viel Ehre ist ein Schlußstrich offensichtlich keine leichte Sache...
Heide
Korn
Der Standard
9.August 2000 Link
auf den Originalartikel siehe auch
NS-Bestände
endlich kritisch aufarbeiten
Uni
Wien taucht tiefer in ihre NS-Vergangenheit |