Volkstanz im Internet 14

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September 2016

Der Leserbrief von Isabella Stift im Fröhlichen Kreis 2016/3 auf Seite 2 regt mich zu einer Entgegnung bzw. Ergänzung an, vor allem, weil ich ihre Gedanken eigentlich mag:

Die strikte Bindung an eine Kennmelodie stört mich schon lange, ich habe auch in „dancilla kennmelodie“ etwas darüber verfasst. Als Musikant habe ich da aber vielleicht einen anderen Zugang: Mich stört, dass durch ausschließliche Verwendung von Kennmelodien der unglaubliche Reichtum an überlieferten Melodien eingeschränkt wird, dass unsere Volksmusik dadurch verarmt. Gesammelt und archiviert wurden viele tausende überlieferte Ländlermelodien, sogar für den Feistritzer Landler hat Hamza weit mehr sogar in Feistritz überlieferte Weisen aufgezeichnet, als wir einsetzen können. Warum soll ich daher eine baden-württembergische Tanzversion unbedingt nach einer niederösterreichischen Melodie tanzen? Und warum soll ich als Musikant überhaupt immer die gleiche abgelutschte Melodienfolge spielen? Wenn es doch so viele andere, ebenfalls schöne Melodien gibt. Oder wenn man sie durch kleine Änderungen wieder neu gestalten könnte.

Ja, ich weiß, es geschieht immer wieder, geschah schon in der Überlieferung, dass wenige und einfach zu merkende, leicht zu spielende Melodien für vieles verwendet werden. Es wird nach weit über hundert Jahren Aufzeichnung und Weitergabe von Tänzen samt Melodie deshalb nicht richtiger. Wir hätten doch dank vieler Aufzeichner und Volksliedarchive bessere Möglichkeiten. Und was spricht gegen eine neu geschriebene (komponierte) Melodie? Möglichst im alten Stil? Nur weil sie nicht überliefert ist? Der Feistritzer Landler ist in der heutigen Form ohnedies nicht nur in Baden-Württemberg, sondern auch bei uns nicht überliefert, er wurde gestaltet, wie auch Simon Wascher im „Fröhlichen Kreis“ 2015/3] ab Seite 7 schrieb. Und die alten, bewährten, tradierten Melodien hat auch irgendwann irgendjemand komponiert und irgendjemand wieder variiert. Oft war es sogar gar keine Volksmusik, sondern ein Schlager, der heute als Volksmusik weitergegeben wird. Warum wohl war etwa die heute zum Cevvè verwendete Melodie mit geringen Unterschieden in ganz Österreich und darüber hinaus für ziemlich ähnliche Tänze bekannt? Weil es eine Mostviertler Volksmelodie war?

Eine Kennmelodie ist für viele Tänze nicht überliefert, so wie es auch für Foxtrott und Rumba keine Kennmelodie gibt. Sie wurde in der Volkstanzpflege eingeführt, um den Tänzern das Erkennen der „richtigen“ Tanzbewegungen leichter zu machen. Und als solche hat sie sich eigentlich bewährt, aber nur für den Beginn des Tanzes. Beim Gesellschaftstanz stört es mich manchmal, dass ich einige Zeit brauche, um etwa einen Cha-Cha-Cha als solchen zu erkennen. Eine Kennmelodie würde mir hier sicher helfen. Ganz sicher! Wenn Sie jetzt über mich lächeln, wissen Sie, was ich von der Kennmelodie halte.

Aber zum Grundthema ‚falsch oder richtig’: Ich tanze jetzt seit 60 Jahren Volkstänze, seit sicher 50 Jahren halte ich mich an festgelegte Beschreibungen nur vollinhaltlich, wenn es mich freut. Ich tanze lieber etwas lustbetont. Ein Video meiner Tanzgruppe, unter „youtube dreitour fuchs“ zu finden, zeigt in etwa, wie das meine Tanzgruppe auffasst. Nach so einer vorgefassten Meinung tanze ich also seit 50 Jahren falsch. Und ich meine, auch das befähigt mich, Dancilla zu leiten.

Auch darüber habe ich eine Seite verfasst: „dancilla gestalteter tanz“. Sie ist äußerst unvollständig, da ich ja nur Beispiele anführen wollte. Wir alle halten uns nicht mehr an die Überlieferung, wir alle verwenden etwa bereits als Tanzrichtung gegensonnen, die es früher nicht überall gegeben hat, oder eine Tanzaufstellung mit dem Tänzer im Innenkreis, die in der Überlieferung ebenfalls widersprüchlich aufgezeichnet wurde – um nur einige wenige von sehr vielen Beispielen anzuführen.

Übrigens, nicht nur die Baden-Württemberger, auch die Steirer tanzen den Feistritzer Landler anders, als bei Zoder zu lesen. Dazu kommt, dass Hamza 1914 die Figurenfolge ausdrücklich nur als eine von vielen Möglichkeiten aufgezeichnet hatte. Erst Zoder hat daraus eine starre Figurenfolge gemacht. Siehe die Links auf „dancilla feistritzer landler“. Warum sollen ihn die Baden-Württemberger nicht auch anders tanzen? Wenn sie es sogar von Horak gelernt hatten?

Vielleicht konnte ich Ihnen mit diesen Beispielen zeigen, dass ich in Dancilla mehr sehe als nur das Abschreiben und zur Verfügung Stellen von Tanzbeschreibungen.

Ich freue mich über Rückmeldungen, vor allem über Anregungen. Franz Fuchs

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